Wie und wozu ein Erbbaurecht?

Entgegen der Grundregelung des § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach welcher wesentliche Bestandteile eines Grundstücks automatisch und gleichzeitig zum Eigentum an dem Grundstück selbst gehören, räumt das Erbbaurecht eine (sachenrechtlich ungewöhnliche, weil grundsätzlich systemfremde) besondere Möglichkeit ein, das Eigentum an einem Grundstück von dem Eigentum hierauf stehender Gebäude rechtlich zu trennen. Grundsätzlich ist eine solche „Eigentumsaufspaltung“ auf allen Grundstücken möglich, ganz gleich, ob die darauf stehenden Gebäude privat oder gewerblich genutzt werden; In der Praxis jedoch ist eine Wohnbebauung der häufigste Fall. Seine rechtlichen Grundlagen hat das Erbbaurecht im Erbbaurechtsgesetz.

1. Begründung eines Erbbaurechts

Zur Begründung eines Erbbaurechts ist es notwendig, dass ein Eigentümer eines Grundstücks als Erbbaurechtgeber dem Erbbaurechtnehmer die Nutzung seines Grundstücks zur Bebauung einräumt, was zwingendermaßen auch im Grundbuch einzutragen ist. Das Erbbaurecht wird also durch einen Erbbaurechtsvertrag zwischen Erbbauberechtigtem (superficiarius) und Grundstückseigentümer (dominus soli) und anschließender Eintragung ins Grundbuch begründet. Doch das Erbbaurecht wird nicht nur einmal, sondern gleich zwei Mal in den Grundbüchern dokumentiert: nämlich im Grundbuch des belasteten Grundstücks (Grundstücksgrundbuch) als Belastung in Abteilung II sowie in dem von Amts wegen für das Erbbaurecht anzulegenden besonderen Erbbaugrundbuch (§§ 14 ff. ErbbauRG). Als Konsequenz wird der Erbbaurechtsnehmer sodann alleiniger Eigentümer des Gebäudes.

2. Dauer eines Erbbaurechts

In der Praxis sind Erbbaurechtsverträge zumeist auf 60 bis 99 Jahre ausgelegt, sie können jedoch nach Auslaufen beliebig oft verlängert oder erneuert werden. Ist aber eine bestimmte Laufzeit vertraglich ausgemacht, kann der Erbbauchrechtsvertrag grundsätzlich von beiden Seiten eben nicht vorzeitig gekündigt werden. In diesem Zusammenhang aber Vorsicht: Denn der Grundstückseigentümer vermag in ganz bestimmten Fällen dann doch ein Sonderkündigungsrecht, den sogenannten Heimfall haben. Dieser kann im Speziellen immer dann eintreten, wenn der Erbbaurechtsnehmer merklich gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstößt, beispielsweise dann, wenn er die Erbpacht nicht mehr oder nicht wie vormals vertraglich festgezürnt zahlt, weiter wenn er etwa das Grundstück verwahrlosen lässt, oder auch bei Eigenbedarf des Erbbaurechtgebers.

Zudem kann das Erbbaurecht zeitlich vor oder auch nach Bebauung auf ein Grundstück be-stellt werden. Erfolgt die Bestellung auf einem bereits bebauten Grundstück, wird der Erb-baurechtnehmer dann Eigentümer der aufstehenden Gebäude. Und entsprechend wird in diesem Fall für die Gebäude ein Kaufpreis an den Erbbaurechtgeber fällig.

Das Erbbaurecht erlischt durch Ablauf der vereinbarten Zeit. Errichtete Gebäude müssen aber nicht nach Ablauf der vereinbarten Zeit vom Grundstück entfernt werden, sondern erhält der Erbbauberechtigte vielmehr grundsätzlich eine Vergütung für den Gebäudewert (§ 27 ErbbauRG). Erlischt das Erbbaurecht, so wird das Bauwerk zum wesentlichen Bestandteil des Grundstücks, d. h., dass jetzt der Grundstückseigentümer zum Eigentümer des Bauwerks wird.

3. Gegenleistung und Verwertbarkeit

Als Gegenleistung für das Einräumen eines Erbbaurechts zahlt der Erbbaurechtnehmer dem Erbbaurechtsgeber für die Nutzung des Grundstücks einen sogenannten Erbbauzins (salarium), mithin ein Entgelt in der Form einer regelmäßigen Leistung (§ 9 Abs. 1 ErbbauRG). Im Zuge dessen stehen ihm jedoch als alleinigem Eigentümer des darauf stehenden Gebäudes dann auch die Nutzungen aus dem Gebäude, wie etwa die Mieteinnahmen, zu.

Modelle zur Verkehrswertermittlung von Erbbaurechten ergeben sich aus der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2021, welche zwei besondere Arten des Vergleichswertverfahrens dafür vorsieht:

  • Das unmittelbare Vergleichswertverfahren (§ 49 Abs. 1 Nummer 1 ImmoWertV 2021), welches auf der Auswertung von Vergleichspreisen für veräußerte Erbbaurechte basiert;
  • Und das mittelbare Vergleichswertverfahren (§ 49 Abs. 1 Nummern 2 und 3 ImmoWertV 2021), bei welchem der Wert durch Umrechnung eines Ausgangswerts ermittelt werden kann und bei dem zwei Ausgangswerte in Betracht kommen: der finanzmathematische Wert i. S. d. § 50 ImmoWertV 2021 oder der Wert des fiktiven Volleigentums, der den Wert des fiktiv unbelasteten Grundstücks darstellt, der dem marktangepassten vorläufigen Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwert ohne Berücksichtigung von besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen entspricht.

Das Erbbaurecht wird seinerseits wie ein Grundstück behandelt und gehört deshalb zu den sogenannten grundstücksgleichen Rechten. Als just solches kann es seinerseits wiederum auch weiterverkauft, beliehen, vererbt oder auch verschenkt werden. Und Gleiches ist auch dem Erbbaurechtgeber als dem Eigentümer des Grundstücks hinsichtlich seines Grundstückseigentums möglich. Insbesondere kann das Erbbaurecht als grundstücksgleiches Recht – beispielsweise mit Grundpfandrechten wie Grundschuld und Hypothek – belastet werden.

Solcherlei Verfügungen über das Erbbaurecht wie z. B. Veräußerungen, Belastungen und bau-liche Erweiterungen bedürfen der Zustimmung des Grundeigentümers, wenn dies im Erbbau-rechtsvertrag vereinbart ist (§ 5 ErbbauRG).

Wie und wozu ein Erbbaurecht?
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4. Vorteile und Nachteile

Der größte Vorteil beim Bau oder Kauf eines Hauses auf einem Erbbaugrundstück ist, dass die Finanzierung des Grundstückspreises entfällt. Denn bei einem normalen Hauskauf kann der im Preis enthaltene Grundstücksanteil leicht ein Viertel und mehr ausmachen. Für Bauherren, die sich zwar den Bau einer Immobilie leisten können, aber nicht genügend Finanzen für ein Baugrundstück haben, bietet das Erbbaurecht also die ultimative Chance, sich dennoch ein eigenes Haus bauen zu können. Aus finanzieller Sicht erhöht sich nämlich der Eigenkapitalanteil, den der Bauherr einbringt, während der Finanzierungsbedarf proportional dazu sinkt. Und schließlich verbilligt sich dadurch in der Regel auch das Darlehen.

Aus der Sicht des Eigentümers des Grundstücks, des Erbbaurechtsgebers, ist das Erbbaurecht zwar zunächst einmal ein beschränktes dingliches Recht, das auf seinem Grundstück lastet. Aber auch für ihn rentiert sich das Erbbaurecht auf lange Sicht. Denn auf diesem Wege bleibt der Erbbaurechtsgeber schließlich einerseits immer noch Eigentümer des Grundstücks und andererseits kann er langfristig Rendite mit seinem Grund und Boden erwirtschaften, anstatt ihn lediglich einmalig zu verkaufen.

5. Zweck, Praxis und Steuern

Die Einführung des Erbbaurechts verfolgte den hauptsächlichen rechtspolitischen Zweck, dass der Wohnungsbau gefördert werden sollte, indem auf der einen Seite finanziell schwächeren Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zum Bauen gegeben werden, auf der anderen aber ein Instrument zur Bekämpfung von Bodenspekulationen geschaffen werden sollte.

In der Praxis verwenden in Deutschland meist Eigentümer größerer Flächen das Erbbaurecht, um im Ergebnis die Bebaubarkeit von Grundstücken wirtschaftlich vollends auszunutzen und dennoch ihr Grundversmögen dauerhaft zu erhalten, sodass Erbbaurechte vor allem von Kommunen, Kirchen und Stiftungen, und nur seltener von Privatpersonen (insbesondere Adelshäusern) und Unternehmen vergeben werden. Städte und Gemeinden etwa vergeben Erbbaurechte oft an gemeinnützige (Sport-)Vereine, um im Zuge dessen die Möglichkeit des Baus von Vereinsheimen zu eröffnen, ohne dass der Verein das finanzielle Risiko einer etwaigen Grundstücksfinanzierung eingehen muss.

Und vor dem Hintergrund explodierender Grundstückspreise und zum Zwecke der Förderung und Erhaltung preisgünstiger Wohnungen in den Städten und Ballungsräumen erlebt das Instrument Erbbaurecht in Deutschland seit etwa vier Jahren buchstäblich eine kleine Renaissance: Denn Städte und Gemeinden, aber auch Bund und Länder, denken – nicht zuletzt aufgrund entsprechenden Drucks aus der Zivilgesellschaft – wieder deutlich  mehr über Grundstücksvergaben im Erbbaurecht nach und praktizieren diese bereits auch wieder verstärkt.

Die Bestellung bzw. die Übertragung des Erbbaurechts ist grunderwerbssteuerpflichtig, das Erbbaurecht unterliegt aber mitnichten der Umsatzsteuer.

Und noch einmal Achtung:

In Liechtenstein, Österreich und der Schweiz nennt sich die dem Erbbaurecht entsprechende Institution „Baurecht“, was im Gegensatz dazu bei uns ein ganz bestimmtes Rechtsgebiet bezeichnet.

Sanjin Ibrahimbegovic LL.M., Rechtsanwalt

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