Ganze 37 Parteien stellen sich am 26. September zur Wahl zum Abgeordnetenhaus. Wie die derzeit im Landesparlament vertretenen Parteien SPD, CDU, Grüne, Die Linke, AfD und FDP das Thema „Wohnen und Bauen“ sehen, haben wir anhand der Landeswahlprogramme unter die Lupe genommen.
Trotzdem mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus gleichzeitig die Wahl zum Bundestag stattfindet, setzen die Parteien in ihren Landeswahlprogrammen berlinspezifische Schwerpunkte zu bauen, mieten und wohnen. Von kurz und knapp – mit zwei von insgesamt 40 Seiten bei der AfD, bis acht von 250 Seiten bei den Grünen – ist nachzulesen, in welche Richtung sich die Wohnungspolitik in Berlin entwickeln soll. Mit Ausnahme der AfD, die eher ihre künftige Oppositionsarbeit definieren, streben alle anderen Parteien eine Senatsbeteiligung an.
In der untenstehenden Übersicht stellen wir Ihnen die Positionen der Parteien zu ausgewählten Themen gegenüber.
Utopia vs. Realität
Außer Konkurrenz sei das Wahlprogramm der „Klimaliste Berlin“ erwähnt, die jedes politische Thema radikal dem Klimaschutz unterordnen.
Richtigerweise wird der Artikel 28 der Berliner Verfassung zitiert, der das Recht auf angemessenen Wohnraum verbrieft. Da stellt sich die Frage, was „angemessen“ bedeutet. Ist es angemessen, dass heute jedem Berliner durchschnittlich 40 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung stehen, wenn man sich vor gerade einer Generation mit gut der Hälfte begnügen musste? Mehr Fläche bedeutet mehr Heizung, Strom, Material – und ist damit klimatisch kontraproduktiv.
Radikale Idee: Wer mehr als 30 Quadratmeter bewohnt, muss draufzahlen, wer weniger Platz in Anspruch nimmt, wird belohnt. Was macht aber die Seniorin mit kleinem Einkommen, die sich mit dem Tod ihres Partners plötzlich doppelt gestraft sieht, weil sie nun wegen „Fehlbelegung“ ihrer 65 m²-Wohnung zahlen muss? Utopische Gedankenspiele sind erlaubt, auch wenn sie nur dazu dienen, den der Realität verpflichteten Parteien neue Denkansätze zu bieten. Parteien – zumal in Koalitionen – müssen zur Zusammenarbeit und Kompromissen fähig sein. So wundert es nicht, dass die meisten Aussagen eher schwammig bleiben, oder mit weit geöffneten Hintertürchen ausgestattet werden.
Zwischen Ideologie und Machbarkeit
Der zweite Satz des Artikels 28 lautet übrigens: „Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum“. Die Frage ist nur, welcher Weg der richtige ist. Letztendlich ist es eine Frage von mehr oder weniger Staat – und wie das alles bezahlt werden soll.
Ist es besser, wenn das Land Berlin möglichst viele (schon bestehende) Wohnungen kauft, um sie zu subventionierten Konditionen zu vermieten? Soll der Neubau über landeseigene Wohnungsgesellschaften aus Steuermitteln bezahlt werden? Oder ist die gegenläufige Position die bessere, ein Investitionsklima mit vereinfachtem Baurecht, Anreizen und Förderung zu schaffen, dass viele private Wohnungsunternehmen anspricht, in den Wohnungsneubau zu investieren?
Letztendlich entscheiden Sie selbst, wie die Weichen der zukünftigen Wohnungspolitik in Berlin gestellt werden. Gehen Sie am 26.09. wählen, jede Stimme zählt!
Für Immobilienthemen sind wir Ihr Ansprechpartner! Kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gern.
SPD
Mietmarktregulierung
Forderung Landesgesetzgebung zur Mietregulierung und -deckelung; Ausbau von Milieuschutzgebieten und Ausübung Vorkaufsrecht
Neubauziele/ Neubauförderung
70.000 Neubauwohnungen bis 2030 durch landeseigene Unternehmen, 130.000 Wohnungen durch Genossenschaften und Private; Baugebote bei Leerstandsflächen
Grundsteuer
Grundsteuer soll vom Vermieter allein getragen werden, stärkere Berücksichtigung des Bodenwertes
Grunderwerbsteuer (z.Zt. 6%)
Besteuerung von Share-Deals
Klimakomponenten am Bau
Definition verpflichtender Standards u.a. mit Solar, Dachbegrünung, Baumaterial; Hälfte des CO2-Preises der Heizkosten soll Vermieter tragen
Tempelhofer Feld
Randbebauung „ausgewählter“ Flächen für Wohnungsbau
Deutsche Wohnen & Co enteignen
keine Aussage im Wahlprogramm
Hausbesetzung
keine Aussage im Wahlprogramm
CDU
Mietmarktregulierung
Anpassung und Anwendung der Mieterschutzinstrumente Zweckentfremdung, Milieuschutz, Mietspiegel; Zielwert 30% des Nettoeinkommens für Wohnen; Einführung „Mietergeld“ im Preissegment 8-13€/m² für mittlere Einkommen
Neubauziele/ Neubauförderung
300.000 Neubauwohnungen bis 2035; Entbürokratisierung Landesbauordungen, Genehmigungsverfahren, Baugebot bei Leerstandsflächen; Erhöhung Wohnungsbauförderung auf 1,25 Mrd.€ für die Legislaturperiode; Anhebung der Traufhöhe, Hochhausentwicklung
Grundsteuer
Grundsteuer C für baureife Grundstücke
Grunderwerbsteuer (z.Zt. 6%)
Grunderwerbsteuerfreibetrag von 300.000€ bei Eigennutzung; Besteuerung von Share-Deals und Grundstücksspekulationsgewinnen
Klimakomponenten am Bau
Förderung statt Pflicht für Solardächer Neubau, Ausbau Solar für öffentliche Gebäude; nachhaltige Baustoffe und dezentrale erneuerbare Energien bei landeseigenen Immobilien
Tempelhofer Feld
Randbebauung Tempelhofer Feld für Wohnquartiere
Deutsche Wohnen & Co enteignen
klare Ablehnung von Enteignungen
Hausbesetzung
keine Duldung „rechtsfreier Räume“
GRÜNE
Mietmarktregulierung
Zielwert, dass Mieter max. 30% des Nettoeinkommens für Wohnen aufwenden müssen; Mietendeckel für landeseigene Wohnungsunternehmen; Forderung Landesgesetzgebung zur Mietregulierung und -deckelung; Ausweitung Milieuschutz und Ausübung Vorkaufsrecht
Neubauziele/ Neubauförderung
20.000 überwiegend „sozialverträgliche“ Neubauwohnungen pro Jahr; Geschosswohnungsbau statt Eigenheimsiedlung
Grundsteuer
„Bodenwertsteuer“ statt Grundsteuer, die Bodennutzung und -versiegelung berücksichtigt; Grundsteuer soll allein vom Vermieter getragen werden
Grunderwerbsteuer (z.Zt. 6%)
höhere Grunderwerbsteuer für Wohnungskonzerne; Share-Deals besteuern
Klimakomponenten am Bau
Solaranlagenpflicht (Strom/Wärme) bei Neubauten und Dachumbauten; KfW-40-Standard im Neubau und KfW- 55-Standard im Bestand; Möglichst Verzicht auf Stahl und Beton im Neubau
Tempelhofer Feld
keine Bebauung des Tempelhofer Feldes
Deutsche Wohnen & Co enteignen
„Vergesellschaftung“ als letztes Mittel, wenn Unternehmen nicht ihrer „sozialen Verantwortung“ nachkommen
Hausbesetzung
„Linke Freiräume und queer-feministische Hausprojekte“ erhalten; möglichst keine Räumung
DIE LINKE
Mietmarktregulierung
bundesweiter Mietendeckel angestrebt; Deckelung der Mieten bei landeseigenen Wohnungsunternehmen; weitere Mietpreisregulierung; Ausweitung Milieuschutz; Ausweitung Ausnutzung Vorkaufsrecht
Neubauziele/ Neubauförderung
keine Angaben; 50% der Neubauwohnungen durch landeseigene, genossenschaftliche und gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen
Grundsteuer
Grundsteuer soll allein vom Vermieter getragen werden; Einführung Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke
Grunderwerbsteuer (z.Zt. 6%)
deutliche Erhöhung der Grunderwerbsteuer bzw. „Kapitalzuwachssteuer“
Klimakomponenten am Bau
Solaranlagenpflicht bei Neubauten und Dachsanierung; Nachrüstung bei öffentlichen Gebäuden
Tempelhofer Feld
keine Bebauung des Tempelhofer Feldes
Deutsche Wohnen & Co enteignen
unterstützen die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“
Hausbesetzung
Hausbesetzungen „entkriminalisieren“, Räumungen ausschließen, „Leerstandsgesetz“
AFD
Mietmarktregulierung
Ablehnung Mietpreisbremse
Neubauziele/ Neubauförderung
keine Angaben; Eigenverantwortung und marktwirtschaftliche Anreize; Senkung der Baunebenkosten; Überprüfung Landesbauordnung; Förderung des Eigentumserwerbs
Grundsteuer
Herabsetzung des Hebesatzes von 810 auf 500 der Grundsteuer B
Grunderwerbsteuer (z.Zt. 6%)
Senkung der Grunderwerbsteuer auf 3,5% zzgl. Freibetrag 100 T€ je Erwachsenen + 50 T€ je Kind
Klimakomponenten am Bau
Ablehnung von Vorgaben wie Dämmung, Austausch Heizanlagen
Tempelhofer Feld
keine „Großsiedlung“ auf dem Tempelhofer Feld
Deutsche Wohnen & Co enteignen
keine Aussage im Wahlprogramm
Hausbesetzung
keine Aussage im Wahlprogramm
FDP
Mietmarktregulierung
Mietpreisbremse beenden, Mietendeckel abschaffen, Milieuschutzgebiete abschaffen; keine Ausübung Vorkaufsrecht
Neubauziele/ Neubauförderung
200.000 Neubauwohnungen bis 2030; Bürokratieabbau Bauplanungsrecht, Anhebung Traufhöhe für zusätzliches Geschoss; Eigentumsförderung für Eigennutzer u.a. durch Mietkaufmodell; Baugebote bei Leerstandsflächen
Grundsteuer
Bei Neuberechnung Grundsteuer ab 2025 keine zusätzliche Belastung der Mieter
Grunderwerbsteuer (z.Zt. 6%)
Einführung Grunderwerbsteuerfreibetrag für Eigennutzer bis 750.000€
Klimakomponenten am Bau
Kein Zwang zu Solaranlagen; Förderung Forschung alternativer Energiequellen u.a. Brennstoffzellen in Gebäuden
Tempelhofer Feld
Randbebauung Tempelhofer Feld für Wohnen und Gewerbe
Deutsche Wohnen & Co enteignen
klare Ablehnung von Enteignung/ Vergesellschaftung
Hausbesetzung
Klarer Schutz des Eigentums; Räumung neubesetzter Häuser binnen 24 Stunden
Autor: Lars Pillau, selbstständiger Immobilienmakler der BVBI
Berliner Volksbank Immobilien | T 030 56 555 55 0 | M info@bvbi.de | www.bvbi.de
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