Wahljahr 2021 Weichenstellung zur Wohnungspolitik in Berlin

Am 26. September 2021 haben die Berliner gleich fünf Mal die Chance, mit ihrer Stimme (auch) den künftigen Kurs zur Wohnungsmarktpolitik mitzubestimmen. Ganz generell mit Erst- und Zweitstimme zur Bundestagswahl, ebenso zwei Stimmen für das Berliner Abgeordnetenhaus und entweder für oder gegen den Antrag der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.

Wohnen in Berlin ist ein zentrales Wahlkampf-thema in Berlin. 83 Prozent der Berliner wohnen zur Miete, wovon die meisten eine relativ günstige Miete zahlen. Der Durchschnitt der Bestandsmieten in Berlin liegt nach Angaben der Senatsverwaltung vom Mai 2021 bei 6,79 Euro pro Quadratmeter. Wer aber umziehen möchte oder muss, sieht sich mit den seit Jahren steigenden Angebotsmieten konfrontiert, die Statista mit 10,49 Euro pro Quadratmeter für das zweite Quartal 2021 ermittelt hat. Der Pferdefuß bei den Angebotsmieten ist aber, dass der überwiegende Teil der Mietangebote gar nicht erst veröffentlicht wird. Gerade Anbieter von günstigem Wohnraum, wie die städtischen und genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften, inserieren freie Wohnungen zumeist nicht. Inseriert werden vor allem Wohnungen, die teurer als der Durchschnitt vermietet werden sollen. So entsteht der Eindruck, dass einerseits nur ein kleines Angebot vorhanden wäre, das andererseits auch noch deutlich mehr kosten soll.

Gefühlte Wahrheit zum Mietniveau

Diese Wahrnehmung hat sich so verfestigt, dass 47% der Berliner das Thema „Mieten und Wohnen“ als wichtigstes bzw. zweitwichtigstes politisches Problem angeben, weit vor „Mobilität und Verkehr“ (35%) und Klimawandel mit 11% (Infratest-Dimap für RBB und Berl. Morgenpost Juni 2021).

Deutsche Wohnen & Co enteignen?

In Zeiten, in denen Populisten immer mehr Gehör finden, darf man sich nicht wundern, wenn auch das Thema Wohnen mit martialischen Schlachtrufen in die Öffentlichkeit getragen wird. Als öffentliches Feindbild muss das börsennotierte Unternehmen Deutsche Wohnen herhalten, dessen Mieter übrigens mit 6,94 Euro nur 15 Cent mehr als der Berliner Durchschnitt zahlen.

Der Titel bleibt, auch wenn (gesetzestreu) das Wort „enteignen“ gegen „vergesellschaften“ ausgetauscht wurde. Das klingt nicht nur weniger idiologisch, sondern eher nach „Mitte der Gesellschaft“ – und genau die ist auch als Zielgruppe ausgemacht.

Zum Wahltag werden die Berliner im Rahmen eines Volksentscheides darüber abstimmen, ob Immobiliengesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen, per Gesetz enteignet werden sollen. Die Initiatoren stützen sich hierbei auf Artikel 15 des Grundgesetzes, das eine Vergesellschaftung grundsätzlich er-möglicht.

Gleichzeitig gehen die Initiatoren davon aus, dass die zu leistende Entschädigung geringer anzusetzen sei, als der Marktwert der Immobilien. Konkret wird angenommen, dass ein Mietpreis von 3,70 Euro je Quadratmeter für die vergesellschafteten Wohnungen angemessen sei, um hieraus acht Milliarden Euro Entschädigung für rd. 240.000 Wohnungen bezahlen zu können.

Wahljahr 2021 Weichenstellung zur Wohnungspolitik in Berlin
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Kritiker und Befürworter

Kritiker und Gegner der Initiative gehen aber von Entschädigungsleistungen von bis zu 36 Milliarden Euro aus. Unabhängig von den gewaltigen Kosten – auch für die zusätzliche Subventionierung der Mieten – die schlussendlich der Steuerzahler zu zahlen hat, bleibt die Frage, wem mit einer Enteignung geholfen ist. Auch diese Argumentation führen Kritiker ins Feld: die betroffenen Wohnungen würden ja nur den Besitzer wechseln, aber keine einzige neue Wohnung entsteht, die zu einer Entlastung des Wohnungsmarktes beitragen könnte.

Trotzdem die Enteignungs-Initiatoren die Wohnungsbau-Genossenschaften ausdrücklich von der „Vergesellschaftung“ ausnehmen (wollen), gehört der Verband BBU, in dem viele Berliner Baugenossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen vertreten sind, zu den größten Kritikern der Enteignung. Der Verband sah sich sogar veranlasst, mit der Seite weiterdenken-statt-enteignen.de ein Forum zu schaffen, auf dem Argumente gegen die Enteignung publik gemacht wurden.

Stellung der Parteien zum Enteignungsantrag

Der amtierende rot-rot-grüne Senat hätte natürlich schon bisher die Möglichkeit gehabt, ein Gesetz vorzulegen, dass die Vergesellschaftung regelt. Anders als beim gescheiterten Mietendeckelgesetz ist der Senat beim Thema Enteignung aber uneins.

Zu den klaren Befürwortern zählen die Linken, die die Vergesellschaftung privater Immobilienkonzerne auch in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben, wie auch die Grünen, die die Vergesellschaftung aber nur als letztes Mittel nicht ausschließen. Insofern ist es bemerkenswert, dass die Spitzenkandidatin und mögliche Regierende Bürgermeisterin, Bettina Jarasch, unlängst öffentlich bekundete, am Wahltag für den Enteignungsantrag votieren zu wollen und damit defacto gegen ihr eigenes Wahlprogramm handelt.

Nur die SPD, als dritte Partei der Noch-Regierungskoalition stellt sich gegen den Enteignungsantrag. Landeschefin Franziska Giffey lässt sich mit den Worten „diejenigen, die enteignet werden, müssen auch entschädigt werden. Jeden Euro kann man nur einmal ausgeben. Und es entsteht keine einzige neue Wohnung dadurch“ zitieren. Ein Satz der auch von CDU- oder FDP-Politikern hätte stammen können. Eine strikt ablehnende Haltung von Enteignungen formulierte die AfD-Bundestagsfraktion schon 2019, auch wenn selbst unter AfD-Wählern in Berlin 39% Stand April 2021 eine Enteignung befürworten.

Mehrheit für Enteignung?

Mehrere Umfragen aus dem ersten Halbjahr 2021 zeigen, wie sehr das Thema die Menschen in der Stadt spaltet. Die eine Hälfte befürwortet Enteignungen, die andere Hälfte lehnt sie ab – ein Dazwischen gibt es kaum. Ob das Stimmungsbild genauso aussehen würde, wenn die Befragten sich über die möglichen Auswirkungen einer Enteignung detailliert informiert hätten, darf bezweifelt werden.

Das Thema ist es wert, sich zu informieren, um bewusst eine Entscheidung treffen zu können.

Wir wünschen eine gute Wahl.

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AM 26.09.21 SIND BUNDESTAGSWAHLEN- GEHE WÄHLEN!

Autor: Lars Pillau, selbstständiger Immobilienmakler der BVBI

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