Was plant der Berliner Senat für die Immobilienwirtschaft?
Im September 2021 gewinnt Franziska Giffey als Spitzenkandidatin der SPD die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, drei Monate später wird sie zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt. Der Koalitionsvertrag mit Grünen und Linken steht und beginnt, direkt nach der Präambel, mit dem dringendsten Punkt, der aber auch den meisten Zündstoff birgt: Stadtentwicklung, Bauen, Mieten.
Enteignen
Einer der größten Streitpunkte in den Koalitionsverhandlungen war der Umgang mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen, über den ebenfalls am Wahltag abgestimmt wurde. Mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner (59,1% der gültigen Stimmen) haben sich für eine Enteignung ausgesprochen. Damit kommt Giffey, die im Wahlkampf eine Enteignung ausdrücklich ablehnte, an diesem Thema nicht vorbei.
Die Koalitionäre sprechen von einem „Kompromiss“, tatsächlich wurde das Problem aber nur zeitlich verschoben: In den ersten 100 Tagen nach Regierungsbildung soll eine Expertenkommission einberufen werden, um die Möglichkeiten zur Umsetzung des Volksbegehrens zu prüfen. Auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ soll beteiligt werden. Ein Jahr soll die Kommission dann Zeit haben, um eine Empfehlung an den Senat zu formulieren.
Bis Frühjahr 2023 passiert also gar nichts und danach wird sich zeigen, ob die Opposition Recht behält: CDU-Landeschef Kai Wegner bezeichnet den Volksentscheid als „Klotz am Bein“ des Senats, FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja spricht sogar von einer „Sollbruchstelle“ im Koalitionsvertrag. Für ihn steht nicht nur die Empfehlung der Expertenkommission, sondern auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon fest: „Dieses Vorhaben ist nicht verfassungsgemäß“. Auch die regierungsbeteiligte Linke wartet die Empfehlung der Expertenkommission nicht ab. Ihr erklärtes Ziel ist die Umsetzung des Volksentscheids; nur das „wie“ ist die Frage, nicht das „ob“. Landeschefin Katina Schubert hat bereits angekündigt, man werde „immer auch bereit sein müssen, die Koalition zu verlassen, wenn uns die Partner versuchen, über den Leisten zu ziehen“.
Bezeichnenderweise wird das Thema Enteignung wie nebenbei und erst ganz am Schluss des Kapitels „Stadtentwicklung, Bauen, Mieten“ abgehandelt. Der Schwerpunkt liegt auf den Maßnahmen, die davor aufgezählt werden und die für einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt sorgen sollen nach dem Prinzip „Kooperation statt Konfrontation“.
Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen
Das Ressort Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen leitet nun der bisherige Innensenator Andreas Geisel (SPD). Geisel war schon von 2014 bis 2016 Bausenator und bringt entsprechende Erfahrung für dieses Amt mit. Er setzt vor allem auf Neubau, um den sozialen Frieden in der Stadt zu sichern. Hierfür wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, ein Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen zu bilden, in dem auch Genossenschaften, städtische Wohnungsbaugesellschaften und private Unternehmen sowie Mieterverbände vertreten sind. Das Bündnis soll Mieterschutz und bezahlbaren Wohnungsneubau „konsequent und koordiniert“ vorantreiben und dabei Klimaschutz, Energieeffizienz und eine integrative Wohnungspolitik berücksichtigen.

Bauen
Höchste Priorität hat der Wohnungsneubau: 20.000 neue Wohnungen pro Jahr und 200.000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2030 – „möglichst die Hälfte davon in dieser Legislatur“ und „im gemeinwohlorientierten und bezahlbaren Sektor“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dabei sollen 35.000 Wohnungen allein die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften noch in dieser Legislaturperiode errichten. Helfen soll dabei ein Förderprogramm des Landes in dreistelliger Millionenhöhe und die unentgeltliche Übertragung landeseigener Grundstücke, deren Wert als Mietsubvention eingesetzt werden muss. Der „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ (StEP Wohnen) wird überarbeitet mit dem Ziel, zusätzliche Wohnungsbaupotenziale zu erschließen.
Hier zählt der Koalitionsvertrag ein buntes Gemisch an Maßnahmen auf wie Nachverdichtung, Aufstockung, Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, Überarbeiten des Flächennutzungsplans, Rückbau und Deckelung von Verkehrsbauten, „urbanes Bauen“ im Einzelfall über die bisherigen Bauhöhen hinaus usw. Die Randbebauung des Tempelhofer Feldes ist vom Tisch und soll es auch bleiben. Bevorzugt wird der Wohnungsbau in den 16 neuen Stadtquartieren wie beispielsweise Blankenburger Süden, Europacity, Schumacher- Quartier, Neue Mitte Tempelhof und Schöneberger Linse (Südkreuz) und in zusätzlich neuen Stadtquartieren wie Tegel Nord und Marienhöfe.
Ehrgeizige Ziele, die man so ähnlich aber auch vom letzten rot-rot-grünen Senat kennt und dessen Maßnahmen den Berliner Wohnungsmarkt letztlich eher verschärft haben dank Rückgang der Baugenehmigungen zum Bei-spiel. Vom verfassungswidrigen Mietendeckel, der nur Unsicherheit und nicht eine einzige Wohnung schuf, ganz zu Schweigen.
Wohnen
Der Senat plant ein Wohnraumschutzgesetz, eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum und die Stärkung der Wohnungsaufsicht. Möbliertes Wohnen und Wohnen auf Zeit könnten in Zukunft stärker reguliert werden. Die Wohnraumförderung soll mit einem Fördervolumen für 5.000 Wohneinheiten jährlich ausgebaut und die Miet- und Belegungsbindungen verlängert werden. Ebenso im Gespräch ist eine sozialverträgliche Mietengestaltung im Bestand und nach Modernisierungen auch über die Einhaltung gesetzlicher Maßnahmen hinaus, zum Beispiel durch ein freiwillig vereinbartes Mietenmoratorium.
Auch wenn der Fachbereich Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen heißt: Wenn der neue Senat von „wohnen“ spricht, meint er beinahe immer „mieten“. Berlin soll Mieterstadt bleiben, eine Eigentumsförderung ist nicht vorgesehen. Die Ankündigung des Bundes, bei der Grunderwerbsteuer die Freibeträge bei selbstgenutztem Wohneigentum zu erhöhen, will der Senat immerhin „berücksichtigen“. Ansonsten wird Eigentum im Koalitionsvertrag lediglich erwähnt, wenn Bauträgern beim Neubau die Möglichkeit zur Refinanzierung durch einen Anteil von Eigentumswohnungen in Aussicht gestellt wird.
Gewerbe
Der neue Senat will außerdem Gewerbemieter konsequenter schützen: „Durch den Neubau von gemischt genutzten Gewerbehöfen soll der Bestand vergrößert und durch zielgruppengerechte und bezahlbare Gewerbemieteinheiten weiter vergrößert werden.“ Ferner will sich die Koalition gegenüber dem Bund für eine Gewerbemietpreisbremse und einen Gewerbemietspiegel sowie einen angemessenen Kündigungsschutz einsetzen. Auch soll geprüft werden, ob der Milieuschutz ausgeweitet wird, um neben Wohnungsmietern auch Gewerbetreibende vor Verdrängung zu schützen.
Der Koalitionsvertrag listet viele detaillierte Maßnahmen auf, die den sozialen Frieden in der Stadt sichern sollen. Leider fehlt die Erkenntnis, dass eine Förderung der Eigentumsquote zur Selbstnutzung von Immobilien auch zum sozialen Frieden in der Stadt beitragen könnte, da Menschen in ihren eigenen vier Wänden geschützt sind vor Mieterhöhungen oder Eigenbedarfskündigungen. Schön erkannt hat der neue Senat dennoch, dass seine ehrgeizigen Neubauziele nur nach dem Prinzip „Kooperation statt Konfrontation“ umgesetzt werden können. Daher muss er mit privaten Investoren und Bauträgern kooperieren. Gut möglich, dass diese bei solch umfangreichen Regulierungen keine Kooperation wollen. Und auch keine Konfrontation suchen, sondern einfach nur noch das Weite.
Autorin: Sabine Baer, BVBI
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