Pendler im Vorteil

Lohnt sich der günstigere Kaufpreis rund um Berlin?

Berechnungen zeigen, wo sich der Umzug ins Umland auch nach Jahren noch rechnet

Wer sich für den Wohnungskauf im Umland entscheidet, kann gegenüber der Metropole kräftig sparen. In Berlin kostet der Quadratmeter im Schnitt rund 4.973 Euro. In den Umlandkreisen liegen die Durchschnittspreise mindestens 880 Euro niedriger, in vielen Fällen sogar bei der Hälfte. Wer in der Berliner City arbeitet, darf allerdings nicht vergessen, dass beim Umzug in den Speckgürtel Pendelkosten anfallen oder möglicherweise ein Arbeitszimmer für Homeoffice-Tage benötigt wird. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Der Postbank Wohnatlas 2021 zeigt, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil durch das Pendeln aufgezehrt ist. Dabei wurden im diesjährigen Pendelkostenrechner erstmals die Faktoren Homeoffice und eigenes Arbeitszimmer einberechnet.

Verglichen wurde jeweils der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung in Berlin mit dem Erwerb in einer der vier bevölkerungsreichsten Städte und Gemeinden der angrenzenden Landkreise zum kreisweiten Durchschnittspreis. Der Kaufpreisvorteil wurde mit den jährlichen Pendelkosten verrechnet. Dabei wurde neben den Kosten für das Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder für das Auto samt Benzin auch der höhere Zeitaufwand einbezogen.

Bus und Bahn schlagen Auto

Am längsten vom günstigeren Wohnungskauf im Umland profitieren Pendler*innen aus Bernau bei Berlin im Landkreis Barnim: Der Kaufpreisvorteil gegenüber Berlin ist bei täglicher Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln für den Arbeitsweg erst nach 37,4 Jahren aufgebraucht, die tägliche Strecke nimmt nur 22 Minuten bis zum Berliner Hauptbahnhof in Anspruch. Mit dem Auto braucht man 45 Minuten, das reduziert bei täglicher Fahrt die Zeitspanne des Preisvorteils mit 15,5 Jahren auf weniger als die Hälfte. Auch in Falkensee im Landkreis Havelland dürfen sich Bus- und Bahnfahrende über eine Ersparnis freuen, von der sie laut Modellrechnung 37,3 Jahre lang profitieren. Autopendler*innen hingegen verfahren den Kostenvorteil bereits in 17,4 Jahren. Auf Platz drei der besten Standorte für Pendler*innen im Berliner Speckgürtel schafft es Teltow. Bus- und Bahnpendler*innen haben das gesparte Kapital rechnerisch nach 33,2 Jahren aufgezehrt, Autofahrer*innen nach rund 16,1 Jahren. Ähnlich lang profitieren ÖPNV-Fahrer*innen in Ludwigsfelde, Autofahrer sind hier nach knapp 15 Jahren nicht mehr im Vorteil.

Weitere Standorte, in denen der Immobilienkauf auch nach mehr als 25 Jahren täglichen Pendelns günstiger bleibt als im Berliner Stadtgebiet, sind Blankenfelde-Mahlow, Brieselang, Hoppegarten, Panketal und Schönefeld. Allerdings gilt dies nur, wenn Bus und Bahn genutzt werden. Von diesen Orten aus ist es mit „den Öffentlichen“ nicht nur kostengünstiger, sondern es geht häufig auch schneller als mit dem Auto.

Pendler im Vorteil
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Autofahrer*innen nur in Kleinmachnow im Vorteil

Günstiger als mit dem ÖPNV ist es für Autopendler*innen nur aus Kleinmachnow. Vom Kaufpreisvorteil profitieren Pendler*innen 13,9 Jahre lang, wenn sie Bus und Bahn für die Fahrt in die City nutzen, Autofahrer*innen aber sogar 14,4 Jahre lang. Das liegt daran, dass die Anbindung an die Metropole ungünstig ist: Mit dem Auto lässt sich die Strecke in 25 Minuten bewältigen, mit Bus- und Bahn dauert es 46 Minuten. Alle anderen untersuchten Umlandstädte und -gemeinden bieten für Autofahrer*innen keine Vorteile.

Platz für Homeoffice im Eigenheim

Wohnen im Grünen, arbeiten in der Metropole – die Corona-Pandemie hat diesen Lebensentwurf für viele attraktiver gemacht. Im Lockdown verloren die Innenstädte ihren Glanz, quirlige Szeneviertel erstarben – der Wunsch, der Stadt zu entfliehen, wuchs. Weniger Präsenzzwang im Büro durch mehr Homeoffice macht es Arbeitnehmer*innen zudem oftmals leichter, auch größere Entfernungen zur Arbeitsstätte in Kauf zu nehmen. Das alles sorgt dafür, dass Kaufinteressierte das Umland bei ihrer Wohnungssuche verstärkt in den Blick nehmen – und dann unter geänderten Vorzeichen rechnen dürfen. Mehr Homeoffice verringert Pendelzeiten und -kosten. Zugleich lassen sich Bürotage daheim besser und angenehmer im eigenen Arbeitszimmer als am Küchentisch bestreiten. Die Wohnung im Grünen sollte also möglichst etwas größer ausfallen als die Stadtwohnung. Andererseits zeigt sich in den Umlandkreisen häufig ein recht großes Preisgefälle: So sollten Käufer*innen für eine verkehrsgünstig gelegene Wohnung mit einem Aufschlag auf den kreisweiten Durchschnittspreis rechnen. Vor diesem Hintergrund haben die Expert*innen des HWWI in diesem Jahr erstmals auch berechnet, wie lange Käufer*innen vom günstigeren Umlandpreis profitieren, wenn sie mit zwei Homeoffice-Tagen pro Woche planen können, die neue Wohnung mit Arbeitszimmer 20 Quadratmeter größer ist und der Preis außerdem 20 Prozent über dem kreisweiten Durchschnitt liegt.

Bernau auch erste Adresse für Wenig-Pendler*innen mit Arbeitszimmer

Unter diesen Vorzeichen ist Bernau bei Berlin die erste Adresse für Teilzeit-Pendler*innen im ÖPNV: Trotz 20 Prozent Preisaufschlags und dem Erwerb von 90 statt 70 Quadratmetern in der Metropole rechnet sich der Kauf für fast 28 Jahre, wenn an zwei Tagen pro Woche im Homeoffice gearbeitet wird statt im Büro. Hoppegarten kommt unter diesen Bedingungen auf knapp 22 Jahre. In Ludwigsfelde und Neuenhagen bei Berlin lohnt sich das Pendeln bei zwei Tagen Homeoffice für etwa 21 Jahre. Knapp unter 20 Jahre lang besteht der Kaufpreisvorteil in Strausberg, Panketal, Blankenfelde-Mahlow, Falkensee und Schöneiche bei Berlin. Eine Ausnahme bildet Teltow in Potsdam-Mittelmark. Hier rechnet sich ein Kauf für Pendler mit Homeoffice von vornherein nicht – wer ohne heimisches Büro fünf Tage die Woche mit dem ÖPNV zur Arbeit fährt, spart dagegen 33 Jahre lang. Das liegt an den im Vergleich zu Berlin nur um 1.660 Euro günstigeren Immobilienpreisen, die bei mehr Quadratmetern für ein Arbeitszimmer kräftig zu Buche schlagen. Auch in Werder (Havel), Kleinmachnow, der Stadt Potsdam und Bad-Belzig lohnen sich die zwei Tage Homeoffice finanziell nicht.

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Was Pendeln wirklich kostet: So funktioniert die Modellrechnung

Ausgangspunkt für die Modellrechnung sind die kalkulatorischen Kosten für den Kauf einer 70 Quadratmeter großen Eigentumswohnung aus dem Bestand zuzüglich Notargebühren (2% vom Kaufpreis) und Grunderwerbssteuer in Berlin und im jeweiligen Umlandkreis. Der Erwerb erfolgt zum jeweiligen Durchschnittspreis des Jahres 2020, wobei in den Umlandstädten und -gemeinden der Durchschnittspreis des jeweiligen Landkreises zugrunde gelegt wird. Für die Kalkulation wird angenommen, dass die Fahrtzeiten für den Stadtbewohnenden innerhalb der City identisch sind mit denen des Pendelnden von seiner Haustür zum Bahnhof der betreffenden Stadt und vom Berliner Hauptbahnhof zu seinem Arbeitsplatz. Zusätzliche Zeiten entstehen für Pendler*innen also vom Umland-Bahnhof zum Berliner Hauptbahnhof. Analysiert wurden sowohl die Fahrtzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) als auch mit dem Auto.

Die Pendelkosten setzen sich aus den Ticketpreisen für Bus und Bahn beziehungsweise den laufenden Kosten für das Auto pro Kilometer zusammen. Hinzu kommen die Zeitkosten: Für den zusätzlichen Zeitaufwand durch das Pendeln in Berlin wurde der im Mittel erzielte Bruttolohn im Jahr 2020 (23,07 Euro je Stunde) veranschlagt. In diesem Jahr wurde darüber hinaus erstmals eine weitere Variante berechnet: Eine Homeoffice-Lösung erlaubt es dem Berufspendelnden, nur noch an drei, statt an fünf Tagen pro Woche ins Büro zu pendeln (130 statt 220 Tage im Jahr), dafür erfordert das Homeoffice ein zusätzliches Arbeitszimmer (20 Quadratmeter Wohnfläche mehr). Mit einem 20-Prozent-Preisaufschlag wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass verkehrsgünstig gelegene Wohnungen für Pendler*innen in den Umlandstädten und -gemeinden häufig nicht zu dem kreisweiten Durchschnittspreis zu haben sind.

Faktor Pendeln möglichst individuell betrachten

„Unsere Analyse führt Kaufinteressierten vor Augen, welche Pendelkosten auf sie zukommen können und welche Parameter dabei eine Rolle spielen“, sagt Christian Hesse, Regionalbereichsleiter und Mitglied der regionalen Geschäftsleitung Süd & Ost von der Postbank Immobilien GmbH. Unterschiedliche Ausschläge bei den Kosten ergeben sich je nach Arbeitszeitmodell, Homeoffice-Regelungen und je nachdem ob in einem Haushalt ein oder zwei Arbeitnehmer pendeln. Eine Rolle spielt auch, ob die Pendelei in die Metropole als Übergangslösung gedacht ist, weil etwa ein Jobwechsel geplant oder der Renteneintritt absehbar ist. Familien sollten berücksichtigen, dass Kinder in der Kita möglicherweise länger betreut werden müssen, während Vater oder Mutter noch in der S-Bahn unterwegs sind oder im Stau stehen. Auch das kostet Geld. Andererseits ist ein Investment in der Großstadt in vielen Fällen teurer als ein Kauf im Umland. Höhere Kosten ziehen höhere Schulden nach sich, so dass die monatlichen Belastungen durch Tilgung und Zinszahlung steigen.

Corona-Krise verschiebt Präferenzen

„Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass viele Menschen ihre Ansprüche an ihr Zuhause überdenken und neu justieren: Mehr Platz, ein eigener Garten, mehr Ruhe jenseits der Stadtgrenze – das erscheint erstrebenswert und dank Homeoffice plötzlich machbar“, sagt Postbank-Experte Hesse. „Von den günstigeren Preisen, die im Umland locken, sollten sich Kaufinteressierte aber nicht blenden lassen, sondern lieber genau nachrechnen.“

Quelle: Postbank

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