• Bereits bei lokaler Glättegefahr gilt Räum- und Streupflicht
• Ob eine ernsthafte lokale Glättegefahr besteht,hängt von den Umständen des Einzelfalls ab
Der Immobilienverband Deutschland IVD | Die Immobilienunternehmer informiert über die aktuellen Regelungen zur winterlichen Räum- und Streupflicht für Eigentümer und Mieter. Diese kann nicht nur bei allgemeiner Glätte, sondern auch bei einer ernsthaften lokalen Glättegefahr bestehen – so urteilte das Kammergericht Berlin am 06.12.2022. Dies richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls.
„Um Unfälle auf Straßen und Wegen bei Schnee und Glatteis zu vermeiden, kommt es stets darauf an, wer in der Verpflichtung steht, Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Kommt der Verantwortliche seiner Räum- und Streupflicht nicht nach, muss er unter Umständen für die Folgen von dadurch verursachten Unfällen haften“, sagt Carolin Hegenbarth, Bundesgeschäftsführerin des IVD.
Wer ist zuständig?
Grundsätzlich ist die zuständige Gemeinde für die Räum- und Streupflicht verantwortlich. Diese überträgt jedoch in der Regel durch eine Satzung die Pflicht auf die Hauseigentümer.

Bei Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG):
Die WEG ist verpflichtet, ihre Immobilie und das Grundstück so zu unterhalten, dass niemand zu Schaden kommt. Dazu zählt auch die Räum- und Streupflicht im Winter. Missachtet die WEG die sogenannte Verkehrssicherungspflicht, haftet sie bei Verletzungen auf Schadensersatz (BGH VI ZR 126/07). Eine WEG hat drei Möglichkeiten, den Winterdienst zu erledigen:
- Die Wohnungseigentümer räumen und streuen selbst,
- sie beauftragen einen Dienstleister
- oder übertragen bei vermieteten Wohnungen den Winterdienst auf den Mieter.
Bei vermietetem Eigentum:
Der Hauseigentümer kann die Räum- und Streupflicht durch eine Regelung im Mietvertrag oder durch die Hausordnung an den Mieter weitergeben (Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2006, Az. 2 O 324/06 = ZMR 2006, 698).
Wird der Winterdienst ausdrücklich dem Mieter übertragen, so darf der Vermieter grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Mieter seiner Pflicht auch nachkommt (Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 20.06.1996, Az. 7 U 905/96). Er muss aber kontrollieren, dass der Mieter seiner Räum- und Streupflicht tatsächlich nachkommt (Landgericht Waldshut-Tiengen, Urteil vom 30.06.2000, Az. 1 O 60/00). Kommt der Mieter seinen übertragenen Pflichten nicht nach, haftet er für eingetretene Schäden infolge eines Sturzes wegen Glatteises (Amtsgericht Ulm, Urteil vom 05.08.1986, Az. 6 C 968/86 – 03).
Ausnahmen:
- Gebrechliche Senioren (Amtsgericht Hamburg-Altona, Urteil vom 30.08.2006, Az. 318A C 146/06)
- Mieter mit gesundheitlichen Einschränkungen, wenn weder private noch gewerbliche Dritte zur Übernahme der Arbeiten zu finden sind (Landgericht Münster, Urteil vom 19.02.2004, Az. 8 S 425/03).

Was ist zu tun?
Bei Schneefall oder Glättebildung beginnt eine Räum- und Streupflicht werktags um 7.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen um 09.00 Uhr und endet jeweils um 20.00 Uhr. Wenn der Grundstückseigentümer jedoch weiß, dass Passanten sein Grundstück schon früher betreten, kann er für Unfälle auch schon vor 7.00 Uhr haftbar gemacht werden (Urteil des OLG Koblenz, Az. 5 U 1479/14). Bei starkem Schneefall muss nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Zweifel mehrmals am Tag geräumt und gestreut werden (Az. VI ZR 49/83). Bei Glatteisbildung besteht zudem sofortige Streupflicht (beispielsweise „Blitzeis“).
Grundsätzlich gilt, dass der Bürgersteig vor dem Haus, der Hauseingang und häufig auch der Weg zu den Mülltonnen verkehrssicher sein müssen.
Eckgrundstücke: Ist die Immobilie an mehreren Seiten von Wegen umgeben, sind alle zu streuen und zu räumen. Wer nur die direkte Zufahrt zum Haus streut, handelt grob fahrlässig (Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 19.03.2008, Az. 4 U 55/07).
Tiefgarage: Die Räum- und Streupflicht umfasst auch Zugänge und Rampen zu Tiefgaragen (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 30.12.2008, Az. 14 U 107/07).
Private Wege und Zufahrten: Sind Besucher darauf angewiesen, einen einzigen Weg zu einem Grundstück zu nutzen, ist dieser räumpflichtig. Wege, die zum Beispiel als Abkürzung genutzt werden, müssen nicht gestreut und geräumt werden.
Welches Streumittel ist einzusetzen?
Vorgaben dazu, welches Streumittel einzusetzen ist, können die kommunalen Straßenreinigungssatzungen enthalten. Allgemein wird Granulat oder Splitt ausreichen. Nur in besonderen Fällen, zum Beispiel bei starken Gefällen, wird der Einsatz von Salz notwendig sein (Landgericht Rottweil – 2 O 312/07; Thüringer Oberlandesgericht – 4 U 218/05).

Wie ist mit Eiszapfen an den Dachrinnen umzugehen?
Hausbesitzer sind verpflichtet, Eiszapfen oder Schneeüberhänge unverzüglich zu beseitigen oder den Gefahrenbereich zu sichern. Wenn die Beseitigung ein Risiko darstellt, sollten die Hauseigentümer eine Fachfirma, zum Beispiel eine Dachdeckerfirma, damit beauftragen.
Auch Mieter eines Ein- oder Zweifamilienhauses kann der Vermieter mietvertraglich dazu verpflichten, Eiszapfen am Dach zu entfernen – insbesondere, wenn dem Mieter im Mietvertrag sämtliche Verkehrssicherungspflichten für das Haus übertragen wurden. Bei Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern ist dies anders. Da die Mieter jeweils nur einen Teil des Gebäudes mieten, können ihnen die Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf Dachlawinen oder Eiszapfen nicht vollständig übertragen werden.
Wohin mit dem geräumten Schnee?
Wer die betroffenen Gehwege räumt, darf den Schnee auf dem Gehweg am Fahrbahnrand ablegen, jedoch nicht auf der Straße. Auch der Rinnstein oder Gullys, Ein- oder Ausfahrten, Radfahrstreifen und Haltestellenbereiche der öffentlichen Verkehrsmittel müssen frei bleiben. Neben Fußgängerüberwegen, Straßeneinmündungen und -kreuzungen darf der Schnee nur so hoch angehäuft werden, dass keine Sichtbehinderungen entstehen.
Was geschieht bei einem Verstoß gegen die Räum- und Streupflicht?
Kommt der Verantwortliche seiner Pflicht für den Winterdienst nicht nach, kann dies ein Ordnungswidrigkeitsverfahren mit empfindlichen Geldbußen auslösen. Des Weiteren kann eine Ersatzvornahme auf Kosten des Eigentümers angeordnet werden.
Kommt es zu einem Personenschaden, kann dies durchaus in ein Strafverfahren wegen Körperverletzung münden. Je nach Schwere des Unfalls haftet der Verpflichtete eventuell auch für Verdienstausfälle, Behandlungskosten, Schmerzensgeld oder sogar für lebenslange Ausgleichszahlungen an die verletzte Person.
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