Smart Home – Fortschritt oder Spielerei?

Smart Home ist ein zunehmend geläufiger Begriff. Wie intelligent kann, wie intelligent sollte ein Haus sein?

Jörg Nowitzki: Ein intelligentes Haus reagiert, regelt und kommuniziert. Es stellt sich auf die darin Wohnenden ein. Räume und elektrische Anlagen, Haushaltsgeräte, Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen sind mit Bedienelementen vernetzt, ihre Funktionen programmierbar. Das Haus reagiert auf äußere Einflüsse wie das Wetter oder innere veränderte Raumluftqualität. Bewohner registrieren Rückmeldungen und beeinflussen ihrerseits Regelungsmechanismen. Das geschieht immer bequemer über Smart-Home-Steuerung. Vieles ist möglich. So der Zuruf „Mir ist‘s im Wohnzimmer zu warm“ – und schon fährt die Heizung herunter. Oder „Terrassentür öffnen“ – und sogleich schiebt sich diese auf. Das Smart Home könnte selbständig vor einem Gewitter überprüfen, ob die Dachfenster geschlossen und Markisen eingefahren sind und das gleich übernehmen. Doch das intelligente Haus kann nur insoweit „denken“, wie es Nutzer erlauben und vorkonfigurieren. Ihren Bedürfnissen soll es gerecht werden. Ihr Alltag soll erleichtert werden. Die Bewohner also entscheiden letztlich, wie intelligent sie ihr Haus haben wollen.

Was ist sinnvoll?

Jörg Nowitzki: Zunächst alles, was Wohnungssicherheit betrifft. So lässt sich übers Smartphone aus der Ferne überprüfen, ob die Rollläden zum Schutz vor Langfingern geschlossen sind. Bei längerer Abwesenheit sollten diese hoch und runtergefahren werden. Gekoppelt mit Lichtschaltungen kann so Anwesenheit simuliert werden – was angesichts steigender Einbruchzahlen unbedingt sinnvoll erscheint. Die Technik bietet zudem Kamerasysteme, Tür- und Fensterkontakte sowie Glasbruchsensoren bis hin zu Notrufsystemen mit Alarmweiterleitung. Auch Brandschutzschalter und Rauchwarnmelder sind meist Teil eines intelligenten Sicherheitssystems.

Energie lässt sich durch intelligente Technik ebenfalls sparen.

Jörg Nowitzki: Und das nicht zu knapp. So lässt sich per Smartphone überprüfen, ob der Herd noch in Betrieb ist. Von der Skipiste aus kann man sich vergewissern, dass die Heizung im Urlaubsmodus läuft, Heizkosten spart, kurz vor Rückkehr hochfährt und für behagliche Raumtemperatur sorgt. Bedarfsgerecht und in Zeiten billigen Stroms lassen sich unterschiedliche Geräte im oder am Haus zuschalten. Bei Gebäuden mit einer Photovoltaikanlage starten beispielweise Spül- und Waschmaschine automatisch, wenn die Solaranlage gerade viel Strom produziert und dieser nicht anderweitig im Haus benötigt wird. Intelligente Heizungsregler, Messsysteme und Lüftungsanlagen helfen, bereitgestellte Wärme und benötigte Zuluft energiesparend zu regulieren.

Allerdings wird – bleiben wir bei der Heizungsanlage – diese bereits hydraulisch abgeglichen, auf die Bedürfnisse der Nutzer hineingestellt und geregelt. Ist zusätzliche Steuerung da nicht Spielerei?

Jörg Nowitzki: Nicht unbedingt. Denken Sie an ungenutzte Räume entgegen sonstigen Gewohnheiten. Oder an die bis in die Morgenstunden reichende Party im Wintergarten. Da ist es bequem, die Temperatur per Handy-Touch anpassen zu können.

Smart Home – Fortschritt oder Spielerei?
© Gerd Altmann / pixabay.com

Was, aber an Steuerungstechnik wird tatsächlich benötigt?

Jörg Nowitzki: Nicht alles passt für jeden. Zuerst sollte man sich selbst befragen: Was ist für mich wichtig, was brauche ich wirklich? Welche Gegebenheiten bietet mein zu bauendes oder schon vorhandenes Haus? Und vor allem: Was gibt mein Budget her? Komplexe Anlagen summieren sich nicht selten auf mittlere fünfstellige Eurobeträge. Eine W-LAN Außenkamera kostet vielleicht 120 Euro, ein umfassenderes Alarmsystem bereits 5000. Ein Smart-Home-Steuerungsmodul für die Heizung kommt auf 2000 bis 3000 Euro usw. Die Systeme sind derzeit noch ziemlich teuer.

Und wenn ich mir das nicht leisten kann?

Jörg Nowitzki: Dann sollte es Schritt für Schritt gehen. Wenn mich Bauherren in meiner Beraterpraxis danach fragen, empfehle ich, mit Vorinstallationen Potenzial für spätere Nachrüstungen zu schaffen. Bei der Planung eines Neubaus oder einer Modernisierung können beispielsweise zusätzliche Elektrosteuerungsleitungen oder Leerrohre für künftige Netzwerke vorgesehen werden. So kann in fünf Jahren eingebaut werden, was dann gebraucht wird und finanzierbar ist. Zunehmend denken Bauherren in diesem Sinne perspektivisch. Auf jeden Fall sollte schon in der Planungsphase ein Experte für Haustechnik einbezogen werden. Dieser unterstützt auch bei der Auswahl von Komponenten unterschiedlicher Hersteller, damit diese zuverlässig zusammenwirken und die Anlage später problemlos erweitert werden kann.

Abgesehen von den Kosten: Was wird selbstverständlich werden und sich durchsetzen? Und was Spielerei bleiben?

Jörg Nowitzki:: Das ist schwer vorauszusagen. Heut schon vielfältige Möglichkeiten werden ungeahnt wachsen, die Entwicklung geht zu digitaler Vernetzung und Steuerung auch zu Hause. Sich dem zu entziehen, dürfte kaum möglich sein. Doch individuelle Entscheidungen sind beeinflusst von Interessen, Neigungen, Gewohnheiten. Wer mit dem Internet aufgewachsen ist, wählt digitale Lösungen selbstverständlicher und konsequenter als die ältere Generation. Obwohl gerade für diese das Smart Home Sicherheit und Bequemlichkeit bietet, denken wir an beispielsweise an Herdabschaltung oder Sturzerkennung auf dem Fußboden. Ob man aber den sprechenden Kühlschrank will, der fehlende Eier anmahnt, oder ob man Licht und Gartensprenger per Handy von der Couch aus steuert, muss jeder selbst entscheiden. Mal aufzustehen, sollte eigentlich auch gut tun.

Weitere Informationen unter www.bsb-ev.de

Jörg Nowitzki, Bauherrenberater des Bauherren-Schutzbund e.V

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